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Vorhang auf für Kidstime

Claudia Mattuschat, Sozialpädagogin B.A. - Koordination Kidstime, Diakonie Hasenbergl - Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstelle

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Mit Power4You hat unsere Familienberatungsstelle schon früh ein Angebot für Kinder psychisch erkrankter Eltern geschaffen. Die größte Hürde war dabei, nicht nur die jungen Teilnehmer*innen, sondern auch ihre Eltern dafür zu gewinnen, sich vertrauensvoll auf die Gruppe einzulassen. Oft haben betroffene Mütter und Väter Vorbehalte, die aus Scham- und Schulgefühlen resultieren. Nicht selten ist es aber auch die Sorge, in der eigenen Erziehungs- und Beziehungsfähigkeit in Frage gestellt zu werden. Man weiß ja nie, was das Kind vor anderen erzählt. Die Stigmatisierung, der Menschen mit psychischen Erkrankungen in der Gesellschaft ausgesetzt sind, führt häufig zu Tabus und Kommunikationsverboten in der Familie. Die Sprachlosigkeit jedoch verursacht Ängste und verwirrende Emotionen beim Kind, die wiederum die Ausprägung eigener psychischer Störungen begünstigen können. Aus der Resilienzforschung wissen wir, dass kindgerechte Aufklärung über die Erkrankung das Risiko deutlich senken und wie ein Schutzschirm wirken kann. Daher steht bei Kidstime – dem Nachfolgeprojekt von Power4You – das Thema Psychoedukation im Fokus.

Angebot für die ganze Familie

Das Konzept wurde 1999 von Cooklin, Bishop, Francis, Fagin und Asen in London entwickelt und basiert auf Multifamilienarbeit. Es geht also darum, Familien mit ähnlichen Belastungen in Kontakt zu bringen, damit sie sich unter professioneller Begleitung bei der Bewältigung unterstützen. Insofern darf und soll bei Kidstime offen über psychische Erkrankungen und ihre Auswirkungen auf die Familie gesprochen werden. Der geschützte Rahmen erlaubt es Kindern und Eltern, sich aktiv einzubringen oder auch „nur“ durch stilles Zuhören den einen oder anderen Impuls mitzunehmen. Der Einstieg in die Gruppe wird so niederschwellig wie möglich gehalten: Nach Voranmeldung kann man jederzeit dazukommen, und es wird auch keine offizielle Diagnose vorausgesetzt, sondern lediglich die Einsicht einer psychischen Belastung. Nachdem Kidstime im Raum Bremen schon seit ein paar Jahren etabliert ist, hat die Diakonie Hasenbergl e.V. das Konzept nun in den Süden Deutschlands geholt. Bewusst wurde es als Kooperationsprojekt von Familienberatungsstelle, Sozialpsychiatrischem Dienst und Ambulanten Erziehungshilfen konzipiert, um möglichst viele Familien im Hasenbergl, in Feldmoching und der Lerchenau sowie in angrenzenden Stadtteilen zu erreichen.

 

(Aus)Zeit vom belasteten Alltag

Im Sommer fand die Weiterbildung und Zertifizierung der Kidstime Trainerinnen statt, auf die eine umfangreiche Vorbereitungsphase folgte. Im Januar konnte das Team aus vier Sozialpädagoginnen und Psychologinnen dann mit drei Familien starten, die sich nun jeden ersten Freitag im Pfarrer-Steiner-Zentrum einfinden. Jeder Workshop beginnt mit gemeinsamen Aufwärmspielen und einem kindgerechten Kurzseminar rund um psychische Erkrankungen. Anschließend wird die Gruppe geteilt: Die Eltern beschäftigen sich unter fachlicher Moderation mit ausgesuchten Themen rund um ihre Belastungen und gelingende Bewältigungsstrategien. Parallel dazu drehen die Kinder auf Basis ihrer Erlebnisse und Ideen einen Film. Nach dem gemeinsamen Pizzaessen – auch das ist ein wichtiger Aspekt des Kidstime Konzeptes – wird dieser Film dann gemeinsam angesehen und der Bezug zur eigenen Familiensituation diskutiert. Dies geschieht mit dem Ziel, den Dialog und das gegenseitige Verständnis von Eltern und Kindern zu verbessern.

Das Fazit des ersten Workshops: Im Laufe von drei Stunden ist aus fremden Menschen eine fast schon vertraute Gruppe entstanden. Nun bleibt zu hoffen, dass sich die Corona Situation bald normalisiert, um neue Familien aus der Warteliste aufnehmen zu können. Der Bedarf ist definitiv groß.

 

Claudia Mattuschat, Sozialpädagogin B.A.

 

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