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Thema: Scheidungskinder - Radio Lora Sendung vom 16.1.2019

Studiogäste: Bernd Aßbichler (Dipl.-Psych.) und Silvia Karnbaum (Dipl.- Psych.) pro familia Erziehungsberatungsstelle

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Dies ist eine Abschrift der Sendung. Sie wurde an einigen Stellen leicht gestrafft und kleine Änderungen zur bes­se­ren Lesbarkeit wurden vorgenommen. Die Zitate sind von unserem Kollegen aus dem Team der Ehe- und Lebens­beratung Hr. J. Schauer, der sie in seiner Kindergruppe mit Trennungs- und Scheidungskindern gesammelt hat.

 

Hier ist das Pro Familia Journal, Thema Scheidungskinder.

Im Jahr 2017 gab es in Deutschland 123.563 minderjährige Scheidungskinder.
Im Jahr 2017 betrug die Scheidungsquote in Deutschland rund 37,67 %, d.h. auf eine Eheschlie­ßung kamen rechnerisch ca. 0,4 Ehescheidungen.
Wie geht es dabei den PartnerInnen, und wenn sie Eltern sind, was bedeutet eine Trennung für Kinder? Wie kann Mann und Frau der Elternschaft noch gerecht werden? Was brauchen die Kinder, wenn Mama und Papa auf einmal kein Paar mehr sind und so vieles sich ändern wird.
Wir wollen heute in unserer Sendung darüber reden, wie man Kinder stärken kann, wie man sie nicht überfordert und wie man sie auch hören kann in der Phase der Trennung. Wir wollen Be­ratungsangebote und Unterstützungsmöglichkeiten für die Kinder vorstellen, denn die Kinder sind heute im Focus.

Im Studio begrüße ich jetzt meine Kollegin Silvia Karnbaum, Diplom Psychologin, Systemische Familientherapeutin und meinen Kollegen Herrn Bernd Aßbichler, Diplom Psychologe, Leiter der Erziehungsberatungsstelle, Kinder- und Jugendtherapeut.
Beide arbeiten schon lange mit Kindern zu diesem Thema. Sie arbeiten mit Kindern direkt, Kin­dertherapiestunden und Diagnostik, Umgangsberatungen auf freiwilliger Basis und vom Jugend­amt geschickt, mit beiden Eltern, mit einem Elternteil und mit Patchworkfamilien

Wenn eine Trennung ansteht: Ab wann sollen Kinder darauf vorbereitet werden?

Silvia Karnbaum:

Sie sollten auf jeden Fall darauf vorbereitet werden. Oft werden die Kinder im Unklaren gelas­sen mit der gut gemeinten Absicht der Eltern, die Kinder zu schützen und sie so fernhalten von wichtigen Entscheidungen, die sie eigentlich betreffen. Das passiert natürlich auch aus Für­sorge. Nur…es ist sehr wichtig, mit den Kindern bald zu sprechen – es hängt sehr vom Alter ab.

 

Im Idealfall sollten beide Eltern gemeinsam das erste Ge­spräch mit dem Kind führen, indem sie altersgemäße Gründe für die Trennung mit­teilen. Z.B. „Mama und Papa verstehen sich gar nicht mehr…“. Wichtig hier ist keine Schuldzu­wei­sungen zu ma­chen in Form von „dein Vater ver­lässt uns, möchte nicht mehr bei uns wohnen ...“. Trotz dieser traurigen Nachricht, fühlen sich Kin­der so ernst genommen. Es ist natürlich keine einfache Botschaft, wobei Kinder es meist schon gespürt haben, dass etwas nicht stimmt daheim. Sie haben schon gespürt, dass es viel Streit gibt und das können auch die Eltern so be­nennen.

Wichtig ist es dem Kind zu erklären, was im bisherigen Alltag stabil bleibt und das Gespräch nicht nur auf die bevorstehenden Veränderungen zu fokussieren. Z.B. „Montags gehst du wei­terhin zur Oma, Mittwoch gehst Du weiter zum Fußball usw.“.

Auch die Informationen über die Veränderungen: wer wann aus­zieht und wo wohnen wird, wann und wie oft das Kind das Elternteil das auszieht sehen wird usw. – das sind wichtige In­for­mationen, die auch benannt werden müssen.

Wichtig ist, Verlustängste vorzubeugen, indem die Eltern dem Kind erklären, dass Beziehungen zwischen Erwachsenen manchmal auseinandergehen können, aber Eltern-Kind Beziehungen nicht zerbrechen, auch wenn man sich mal streitet. Ganz wichtig ist,  dem Kind zu versichern, dass die Trennung nichts mit ihm zu tun hat, sondern allein in der Verantwortung der Eltern liegt. Es geht darum, dem Kind die Angst zu nehmen, dass es etwas falsch gemacht hat, dass es nicht brav genug war. Und dass beide Eltern für das Kind da sein werden, trotz der räumlichen Trennung.

Räumliche Trennung ist ja für Kinder wahrscheinlich auch mit das Schwierigste? Da müssen sie sich auf neue Situationen einstellen.
Was sind denn typische Reaktionen von Kindern, gibt es bestimmte Verhaltensweisen, "Warnsinale" sogar?

Bernd Aßbichler:
Das hängt sehr von den Phasen ab, in denen die Familie gerade steckt. Grundsätzlich können Kinder fast alles an Symptomen entwickeln.

Das kann von Rückzug gehen, von aggressives Verhalten, manche nässen wieder ein, die schuli­sche Leistung wird schlechter, oft Scham oder Traurigkeit. Da gibt es ein ganzes Bündel an Symp­tomen, die Kinder zeigen können.… Auch wenn Kinder akut keinerlei Auffälligkeiten zei­gen, beeinträchtigt eine Trennung alle Bereiche ihrer Identität.

Es gibt viel, was über die Kinder hinweg entschieden wird. Sie haben keine aktive Mitwirkung mehr. So ein wichtiger Teil ist die Selbstwirksamkeit – also ich bestimme selbst über mein Le­ben. Dieses Gefühl nicht mitwirken zu können, sondern dass die Eltern bestimmen: also über Zukunft, die weitere Form der Familie, über neue Partner …da haben sie überhaupt kein Mit­spracherecht. Das ist schon erst einmal ein ziemlicher Einschnitt.

Auch das Selbstwertgefühl ist bedroht. „Bin ich es nicht wert, weil der Papa mich verlässt, oder weil die Mama weg geht?“ „Er/Sie hätte ja auch wegen mir dableiben können?“

Hinzukommen, gerade in München, finanzielle Probleme, in die Trennungs- und Scheidungsfa­milien fast immer reingeraten. Auch wenn die gut betucht sind, weil es einfach eine Wohnung, ein Haushalt mehr ist, die unterhalten werden muss. Dadurch fallen für die Kinder viele Sachen, die früher selbstverständlich waren plötzlich weg.

Weil sich einfach der Standard ändert?

Der Standard ändert sich. Manche kommen an die Armutsgrenze. Selbst bei Mittelschichtsfami­lien, bei denen früher viel Geld da war, ist einfach jetzt weniger da. Das erleben die Kinder auch und das hat auch was mit Selbstwert zu tun. Ob ich dann noch meinem Hobby nachgehen kann, ob die Familie plötzlich nicht mehr in Urlaub fahren kann, was bisher immer ging, das macht was.

Was natürlich vermeidbar wäre ist, wenn Eltern auch sehr stark abwertend Vater oder Mutter gegenüber sind. Es ist natürlich auch prob­lematisch, wenn ein Junge hört, wie schlecht der Vater ist. Oder wenn der Va­ter immer über die Mutter schimpft vor der Tochter – dann wird das auch für die was ausmachen.

Das Vierte, was beeinträchtigt ist, ist unser Wunsch nach verlässli­chen Beziehungen. Wir wollen, dass Liebe  sowas ist, wie bedingungslos und unzer­brechlich…..Trennung und Scheidung stellt damit die Sicherheit von Beziehungen in Frage, vor allem in der Anfangszeit. Deshalb ist auch Zeit wichtig: dass Kinder im Laufe der Zeit entdecken, dass doch viel gleich geblieben ist. An der Schule hat sich auch nichts verändert. Meine Freunde sind da, ich kann Oma und Opa sehen. Ich kann Mama und Papa sehen. Zwar zu anderen, viel­leicht blöden Zeiten, aber trotzdem finden sie sich. Da sind die Kinder auch sehr anpassungsfä­hig – viel anpassungsfähiger als Erwachsene.

Aber es kommt natürlich aber auch auf die Situation an? Zum Beispiel wenn einer der beiden Partner in eine andere Stadt zieht und das Kind mitnimmt, kann sich ja sehr viel verändern?

Bernd Aßbichler:
Das sind dann ganz schwierige Geschichten für die Familien. Für die Aufrechterhaltung von El­tern-Kind-Beziehungen mit dem anderen Teil. Das ist wirklich immer was sehr Dramatisches. Das passiert meist irgendwie aus Liebe, oder aus beruflichen Gründen, oder weil die Mutter sagt, ich bin nur wegen dem Mann nach München gekommen und warum soll ich in dieser Stadt noch bleiben, wenn ich es mir eh nicht mehr leisten kann. Das ist manchmal sehr traurig und dramatisch.

„Verlaß mich nicht“, wie in dem Lied – das denkt vielleicht auch das ein- oder andere Kind, wenn Mama oder Papa ausziehen. Wie kommen Eltern an die Kinder in so einer schwierigen Situation ran?   Was sind wichtige Verhaltensregeln für Eltern in dieser "Krise"?

Silvia Karnbaum:
In solchen Krisensituationen ist es wichtig die Kinder nicht zu bedrängen, sie nicht auszufragen, auch nicht zu sehr ablenken mit allem Möglichen. Auch keine schnellen Lösungen anbieten. Diese schwierigen Emotionen wie Traurigkeit oder Wut dürfen sein. Sie sind gerechtfertigt, es ist einfach traurig, wenn ein Elternteil auszieht, wenn die Kinder jetzt den Papa nicht mehr je­den Tag sehen können. Es ist oft nicht einfach für Eltern, die selber in der akuten Krise stecken, diese Gefühle auszuhalten. Hilfreich ist den Kindern ihre Gefühle zu spiegeln, z. B. „ich merke, dass du traurig bist, ärgerlich“. Oder „ich sehe, du bist jetzt schlecht gelaunt“. Das ist das ein­zige was Kinder in diesem Moment hilft, weil nur sie sich nur so in ihrer Emotion verstanden fühlen.

Aber oft sind Eltern, verständlicherweise, mit ihrer veränderten Situation, mit der eigenen Krän­kung, Trauer oder Wut beschäftigt, auch überfordert. Deshalb ist es sehr wichtig, dass sie sich selbst Unterstützung holen, wo ihre eigenen Emotionen einen Platz haben. Nur so können sie besser für ihre Kinder da sein. Das heißt natürlich nicht, dass die Kinder ab und zu die Eltern trau­rig sehen, aber sie sollten sich nicht für die Eltern verantwortlich fühlen.

Was wären denn so Unterstützungsmöglichkeiten für die Eltern?

Silvia Karnbaum:
Auf jeden Fall können die Eltern auch zur Beratungsstelle gehen oder zu einem niedergelasse­nen Therapeuten oder evtl. auch zu Freunden. Die sind aber meist eher parteiisch. Ich würde empfehlen, immer zu einer neutralen Beratung zu gehen – ausserhalb der Familie.

Reagieren denn Mädchen anders als Jungs in Trennungssituationen – oder ist das völlig unab­hängig?

Bernd Aßbichler:
Eigentlich kann man keinen Unterschied feststellen zwischen Mädchen und Jungs. Es gibt alle Formen von Verarbeitungsversuchen sowohl bei Mädels als auch Jungs. Das ist eher vom eige­nen Temperament abhängig als vom Geschlecht.
Vielleicht kann man allgemein sagen, dass Jungen im Grundschulalter (das gilt aber allgemein und hat nichts mit Trennung oder Scheidung zu tun) eher nach Außen gehen. Das ist auch 2018 und 2019 noch so. Und Mädchen gehen eher nach innen. Das kehrt sich dann oft in der Puber­tät um. Jungen kapseln sich dann eher ab, sind nicht mehr zugänglich und die Mädchen gehen nach außen und zeigen  ein Verhalten, das die Eltern und Lehrer nicht mehr ignorieren können. Wo die tatsäch­lich eine Antwort darauf haben wollen. Aber pauschal kann man das nicht sagen.

Wie arbeitet ihr mit den Kindern?

Silvia Karnbaum:
Wir haben unterschiedliche Herangehensweisen. Wenn wir merken, dass Eltern vor allem in der akuten Phase der Trennung nicht mehr zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen der Kinder unterscheiden können, dann ahnen wir einen wirklich starken Loyalitätskon­flikt bei den Kindern. Das ist dann der Moment, wo wir die Kinder oder das Kind einladen. Wenn es Geschwister sind, versuchen wir auf jeden Fall beide einzuladen – in getrennten Sit­zungen. Wir brauchen natürlich für diese Sitzungen die Einwilligung der Eltern, die Kinder be­kommen eine Einladung von uns. Der Unterschied zu einer Befragung vor Gericht oder von ei­nem Verfahrensbeistand ist, dass die gewonnene Information nicht für das gerichtliche Verfah­ren verwendet werden darf – und das lassen wir uns auch von den Eltern unterschreiben. Das ist wichtig, dem Kind einen Schutzraum zu bieten, wo sie sich trauen, vieles zu sagen.

Einmal verwenden wir ein standardisiertes Interview, das ist entwickelt worden von Hanspeter Bernhardt. Mit Skalen, Satzergänzungen und Fragen nach den Wünschen der Kinder, die wir oder die Kinder wortwörtlich auf der Flipchart aufschreiben. Diese Informationen (oder Teil­informationen) werden nur mit Erlaubnis des Kindes an die Eltern weitergegeben. Es gibt eine Rückmeldungsstunde mit den Eltern danach, auf die die Eltern mit großer Spannung warten. In der Regel ist die Sitzung, in der wir die Rückmeldung an die Eltern geben, eine gute Stunde. Eine Stunde, in der die Eltern es schaffen ihre Streitigkeiten – zumindest für den Moment – auf die Seite zu legen. Es ist oft ein bewegender Moment, wenn Eltern die Wünsche ihrer Kinder lesen und hören, wenn die Kinder das erlauben. Als Beispiel: oft kommt der Wunsch, ein Kind möchte den Papa mehr zu sehen als nur alle 14 Tage. Und wenn das Kind es erlaubt, dass wir das vor der Mama sagen, das ist ein sehr gutes Zeichen.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Kinder nach dieser Sitzung oft gerne wieder kommen möchten, um auch über anderen Themen zu sprechen. Sie haben gemerkt, dass sie hier gehört und ihre Wünsche ernst genommen werden.

Und wenn die Wünsche von den Kindern sehr ernst genommen werden, dann geht´s ja auf­wärts?

Bernd Aßbichler:
Ja, ich denk in diesen Stunden kommen immer sehr viel emotionale Inhalte. Und das Emotio­nale, was da transportiert wird, das wird in so einer Stunde in der Regel sehr stark deutlich, auch bei diesem standardisierten Interview.
Es gibt noch eine andere Methode, die wir seit 4-5 Jahren anwenden. Die hat  Alfons Aichinger aus einer Erziehungsberatungsstelle in Ulm entwickelt. Er macht Kinderpsychodrama.
Das ist eine Methode, wir relativ oft und sehr gerne anwenden, es ist spielerischer als das Inter­view. Es ist nicht so klar in der Auswertung, also es ist projektiver und vieldeutiger.

Der Ausgangspunkt ist, dass jeder Mensch nicht ein starrer, fester, einheitlicher Block ist, son­dern dass wir viele verschiedene Teile und Bestrebungen haben. Ein Teil des Kindes will zum Va­ter zur Mutter, ein anderer Teil möchte dies nicht, hat Angst.

Kann man nach der Scheidung wieder zusammenziehen, wenn man sich wieder verträgt?

Das Gleiche gilt auch für Eltern­teile: den liebevollen, verständnisvollen Teil, mit dem man Spaß haben kann oder den Teil der Mutter / des Vaters, der streitet, keift, wütend oder ungerecht ist. Zu dem Teil will man natür­lich nicht.

Im Psychodrama arbeitet man auf Symbolebene. Wir machen das mit Tieren. Und wir spielen dann mit diesen Tieren. Als Beispiel: das Kind sucht für diesen fürsorglichen Teil der Mama ein Schaf aus. Das ist was Weiches, Warmes, Verlässliches. Dann hat diese Mama neben dem Schaf-Anteil, der so wichtig für das Kind ist und es auch schon lange kennt, aber auch so eine schwie­rige Seite daneben, z.B. eine Schlange oder ein Krokodil oder ein Bär, der schreit.

Das Spiel lieben die Kinder, dass die da so verschiedene Sachen aussuchen können. Das muss man manchmal begrenzen, dass es nicht zu viele verschiedene Teile werden. Wichtig ist, dass dieser geliebte Teil von Mama und Papa bleiben kann, dass dieses Schaf immer bleiben kann, Und nicht, dass das Schaf böse wird, sondern dass dann plötzlich eine Schlange oder ein Kroko­dil auftaucht und auf das Tier darf man sauer sein. Das ist wichtig, dass man das trennen kann und dass trotzdem eine Möglichkeit besteht, Wut und Trauer Ausdruck zu verleihen. Hört sich vielleicht kompliziert an, aber wenn man das dann macht ist es eigentlich einfach mit den Kin­dern – es werden auch richtige Landschaften aufgebaut im Zimmer. Dann findet auf so ei­ner symbolischen oder Spielebene ganz viel statt, was für das Kind auch eine Entlastung bringt, dass es das einfach darstellen darf, ohne jetzt sich schlecht fühlen zu müssen, oder den Papa oder die Mama schlecht gemacht zu haben, was wir alle nicht wollen. Das sind ja innere Bil­der, die wir brauchen. Es kann eine Problemlösung stattfinden auf dieser symbolischen Ebene, weil es die Ebene von Kindern ist. Wobei diese symbolische Ebene auch für Erwachsene eine gute Methode ist, weil ja auch wir so Probleme eher lösen, als rein ver­standesmäßig.

Silvia Karnbaum:
Für welche Methode wir uns entscheiden hängt sehr davon ab, ob ein Kind sehr gesprächsbe­reit ist oder nicht oder mehr spielt oder wir kommen verbal nicht so ran. Wir besprechen das im Team und entscheiden zusammen, welche Methode wir benützen. Und jeder von uns hat na­türlich Spezialitäten und Lieblingsmethoden.

Wer schickt Euch die Kinder?

Bernd Aßbichler:
Überwiegend schicken uns die Eltern die Kinder. Auch wenn die Eltern geschickt werden, die Kinder zu schicken – müssen sie sich anmelden. Wir überlegen dann, arbeiten wir auf der  El­ternebene, Kindebene? Was haben wir gehört, was hat die Kolleg*In, die das aufgenommen hat, am Telefon gehört?

Manchmal schickt das Gericht auch, weil bei uns an der Beratungsstelle einfach mehr Raum und mehr Zeit ist, für die Problemlösung und auch für eine Begleitung über einen längeren Zeitraum (wir haben manchmal auch Familien 1-2 Jahre, die in größeren Abständen kommen).

Manchmal kommen Kinder auch über die Schulen, wenn sie dort auffällig werden. Dann ist diese Trennung/Scheidung-Problematik zunächst im Hintergrund und die müssen wir erst ent­decken. Insgesamt erleben wir die Eltern meist als sehr aufgeschlossen. Wohl auch, weil sie wis­sen, wie stark die Trennung und Scheidung sie selbst emotional mitgenommen hat. Von daher können sie sich gut in die Kinder hineinversetzen, dass es für die auch sehr schwierig ist.

Wie sieht euer Angebot genau aus? An wen richtet es sich genau? An Eltern und Kinder oder nur an die Kinder?

Silvia Karnbaum:
Unser Beratungsangebot richtet sich an die Eltern, sowohl zusammen, als auch in Einzelsitzun­gen. Oft sind Eltern so verstritten, dass wir erst einmal mit Einzelsitzungen anfangen, bevor wir sie zusammentun. Wie wir vorher bereits erzählten, bieten wir auch Sitzungen für die Kinder an.

Die Dauer richtet sich sehr nach den Bedürfnissen der Familie. Das können lange Prozesse sein. Oft melden sich Familien nach einem Jahr wieder. Das passiert sehr oft, dass sie sich wegen ei­nem anderen Thema, oder es gibt neue Partnerschaften, Patchwork-Problematik wird auch ein Thema. Wenn eine Familie sozusagen bei uns gut angedockt hat, dann melden sie sich für verschiedene Themen.

Wir bieten auch 2x im Jahr (einmal in Neuaubing und einmal in Schwabing) den Kurs „Kinder im Blick“ an, ein Angebot für Eltern in Trennung. Der Name des Kurses beschreibt ein wichtiges Thema in der schwierigen Trennungs­phase: wie kann ich als Mama, als Papa und als Eltern mein Kind im Blick behal­ten. Dieser Kurs umfasst 7 Abende à 3 Stunden. In diesen Kurs kommen Eltern, die vom Familienge­richt geschickt werden. Die Eltern besuchen diesen Kurs getrennt, d.h. sie gehen in zwei ver­schiedene Kurse. Diese werden in der Zwischenzeit in vielen Beratungsstellen in ganz Deutsch­land angeboten. 

Wenn man sich für so einen Kurs interessiert, wie kommt man in Kontakt mit Euch?

Silvia Karnbaum:
Es gibt eine „Kinder im Blick“ Seite, die immer aktualisiert ist mit den laufenden Kursen. Das ganze Jahr werden Kurse angeboten. Bei uns in Neuaubing ist immer im Herbst ein Kurs und bei pro familia in Schwabing im Frühling. Es gibt Kurse, die Abends laufen, es gibt Kurse am Vormit­tag. Es gibt auch Beratungsstellen, die Kinderbetreuung anbieten.

Unseren Kurs finden Sie über unsere Webseite www.profamilia.de und dann muss man die Bera­tungsstelle Neuaubing suchen. Es gibt auch eine Seite www.erziehungsberatung-muenchen.de von allen Münchner Erziehungsberatungsstellen, das sind wir auch vertreten und auch unsere Gruppenangebote gelistet.

Jetzt haben wir ganz viel gehört, was schwierig ist und was belastend ist für Kinder, aber was gibt es denn Positives aus diesen Situationen rauszuholen?

Silvia Karnbaum:

Ich würde sagen, dass es für Kinder, die mit Eltern zusammenleben die über Jahre streiten und es über Jahre total konfliktbeladen ist und es nicht einfach haben. Da kann eine Trennung wieder Ruhe und Entspan­nung reinbringen – so traurig das auch ist.
Ich weiß von Befragungen von Jugendlichen oder junge Er­wach­senen, die gesagt haben „Die sind wegen uns zusam­men­geblieben! Hätten sie sich doch getrennt, das was nicht zum Aus­hal­ten.“ Wenn die Eltern das schaffen und in die Elternrolle schlüpfen, diese zu behalten und sich weiterhin gut um die Kinder, um die Jugendlichen zu kümmern – dann ist es auf jeden Fall ein Vorteil.

Bernd Aßbichler:
Wir sind ja eine Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche. Natürlich melden sich Eltern in Trennung und Scheidung nur dann an, wenn sie auch Schwierigkeiten miteinander haben. Es gibt sicher auch Eltern, die das gut ohne hinbekommen, es gibt Paare, die auch nur für eine Sit­zung kommen oder mal einen kurzen Rat brauchen, wo man weiß, da sind die Kinder gut aufge­hoben. Das muss man vielleicht noch zu unserem Erfahrungshintergrund sagen.

 


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